Der Kapp-Putsch in Schenkendorf
Von allen politischen Kämpfen in der Zeit nach dem I. Weltkrieg, die mit gutem Grund als
„Revolutionäre Nachkriegskrise“ bezeichnet wird, war wohl der Kapp-Putsch das Ereignis mit
der stärksten Beteiligung der Volksmassen, die letztlich zur Niederlage der Reaktionäre
führte.
Nach dem verlorenen Krieg war es der sozialdemokratischen Führung nicht gelungen, die
politische Lage zu stabilisieren. Auf der einen Seite standen, angeführt durch USPD und
KPD, die revolutionären Arbeiter, die zurecht mit den Ergebnissen der Novemberrevolution
unzufrieden waren. Auf der anderen Seite standen die Militaristen und Kaisertreuen, die sich
mit den Folgen der Niederlage – drastische Reduzierung der Armee,
Milliardenkontributionen, Gebietsverluste und andere Festlegungen des Versailler Vertrages
– nicht abfinden konnten und denen auch die sozialdemokratische Regierung (der immerhin
ein Noske angehörte) immer noch zu rot war. Während die rechte SPD-Führung mit den
revolutionären Arbeitern nicht so große Mühe hatte, weil sie sich in der Abwehr immer auf
das Militär verlassen konnte, war das bei der militanten Rechten für sie schwerer, denn sie
scheute die Einbeziehung der Arbeiter in den politischen Kampf. So konnten sich im
rechtsfreien Raum Freikorps bilden, und die Truppenkommandeure ignorierten den
Reichswehrminister Noske. Obendrein blieben Truppenteile bestehen, die sich der
Demobilisierung widersetzten, was von Noske stillschweigend geduldet wurde – die
sogenannte „Schwarze Reichswehr“. Auch die Interalliierte Kontrollkommission, die
eigentlich hätte eingreifen müssen, sah nicht hin, weil sie in den illegalen Truppen ein
Gegengewicht zur revolutionären Arbeiterklasse erblickte.
Anfang 1920 wurde erkennbar, dass ein Militärputsch vorbereitet wurde, aber die Regierung
sah dem fast tatenlos zu. Als dann in Ausführung des Versailler Vertrages die Marinebrigade
Ehrhardt aufgelöst werden sollte, verweigerte Ehrhardt den Befehl, und damit war das Signal
für den Putsch gegeben. Am 13. März zog die Brigade Ehrhardt in Berlin ein, der
ostpreußische Oberlandesdirektor Kapp erklärte sich zum Staatsoberhaupt,
Reichswehrminister wurde General Lüttwitz. General Ludendorff, Monarchist reinsten
Wassers, der schon 1918 die Dolchstoßlegende verkündet hatte, unterstützte den Putsch.
General Seeckt, Chef der Obersten Heeresleitung, verweigerte gegenüber der demokratisch
gewählten Regierung den Einsatz der Reichswehr gegen die Putschisten mit dem Satz
„Truppe schießt nicht auf Truppe“.
Die Regierung Bauer ergriff die Flucht aus Berlin, zuerst nach Dresden, wo sie von den
dortigen Militärs um ein Haar verhaftet wäre, dann nach Stuttgart. Nach wie vor scheute sie
sich, die demokratischen Kräfte zum aktiven Widerstand aufzurufen. In dieser Situation
ergriffen die Gewerkschaften die Initiative. Unterstützt von der USPD und – nach einigem
Zögern – auch von der KPD riefen sie am 15. März zum reichsweiten Generalstreik auf. Vor
allem dieser Generalstreik war es, der letzten Endes den Sturz der Kappregierung
besiegelte. Schon am 17. März floh Kapp nach Schweden, Lüttwitz folgte kurz darauf.
Doch die Militärs gaben noch nicht auf, und so gingen auch in unserer Region die
Auseinandersetzungen weiter. Gemeinsam mit Truppen aus Zossen, wo sich das
Heereskommando befand, zogen Freikorpsleute nach Königs Wusterhausen, um sich mit
den dortigen Fernmeldesoldaten zu verbünden. Auf dem Funkerberg gab es eine starke
Formation der Schwarzen Reichswehr, die sich dem Putsch angeschlossen hatte. Wenn sich
die rebellierenden Truppen zusammenschließen wollten, musste das Arbeiterdorf
Schenkendorf passiert werden. Hier gab es zwar keine Braunkohlengrube mehr, dennoch
waren immer noch viele Arbeiter ansässig, und Schenkendorf galt als besonders rot. Unter
den Arbeitern waren viele mit Kriegserfahrung, die nicht daran dachten, sich wieder den
reaktionären Generalen zu unterwerfen.
Am 20. März trafen sich etwa 50 Arbeiter, teilweise bewaffnet, im Lokal Patsch am Grünen
Weg, das heute nicht mehr existiert, um sich bei Notwendigkeit den Freikorps oder der
Schwarzen Reichswehr in den Weg zu stellen. Hinzu kamen etwa 30 Arbeiter aus Königs
Wusterhausen und Bestensee (damals Groß-Besten).
Aus Königs Wusterhausen rückten alsbald Truppen mit überlegener Bewaffnung an. Die
Arbeiter lehnten die angebotene Kapitulation und Entwaffnung ab, und es kam zum Gefecht
am Grünen Weg. Die Arbeiter erlitten eine Niederlage. Die Bestenseer Fröhlich und Rettig
und die Schenkendorfer Pfeiffer und Linke fielen im Kampf; der unbewaffnete Franz Pelka
wurde erschossen. Die Gefangenen wurden nach Königs Wusterhausen gebracht und
gefoltert, einige zu Scheinerschießungen geführt.
Am 28. März wurden die gefallenen Schenkendorfer Arbeiter auf dem Schenkendorfer
Friedhof beigesetzt. Es war ein Leichenbegängnis wie kaum je zuvor im Umkreis; 800
Menschen folgten den Särgen der Gefallenen. In der Traueranzeige beklagten die Familien
Linke, Pelka und Pfeiffer ihre Familienväter als „Opfer der Gegenrevolution“.
In der Folgezeit griff die Reichswehr direkt in die Kämpfe ein. In Adlershof, das damals wie
Schenkendorf zum Landkreis Teltow gehörte, fielen ihr 30 Menschen zum Opfer. In
Mittenwalde protestierte die Einwohnerwehr gegen den Einsatz der Reichswehr; daraufhin
wurde die Wehr aufgelöst und entwaffnet. Im April 1920 richtete die Mittenwalder
Stadtverordnetenversammlung eine Resolution an Nationalversammlung,
Reichswehrminister und Preußische Landesversammlung, in der sie die Freilassung des
Stadtverordneten Hagen forderte, der von der Reichswehr verhaftet worden war, und
erreichte dessen Freilassung.
Der SPD-Abgeordnete Fischer stellte in der Nationalversammlung die Frage nach dem
Verbleib von Franz Fischer, einem der von der Schwarzen Reichswehr verhafteten Arbeiter
aus Schenkendorf. Er stellte zurecht die Frage, warum bei der Behandlung der Putschisten
ein so anderes Maß angelegt wurde, als bei den Verteidigern der Republik.
Der Umgang durch staatliche Organe und Justiz mit den Putschisten war in der Folgezeit
immer von Sympathie und Verständnis geprägt. Schon im August 1920 wurden durch eine
Amnestie die Teilnehmer außer den Anführern straffrei gestellt, sofern sie nicht aus „Rohheit
oder Eigennutz“ gehandelt hätten. 48 Offiziere wurden ihres Amtes enthoben, die meisten
Verfahren wurden eingestellt. Kapp verstarb in Untersuchungshaft; im einzigen
Strafverfahren wurden 5 Jahre der ehrenvollen Festungshaft verhängt, wobei „selbstlose
Vaterlandsliebe“ als mildernder Umstand zugebilligt wurde. Ehrhardt, der Auslöser des
Putsches, ging nach München, wo er unbehelligt die „Legion Condor“ gründete, die später
u.a. Walter Rathenau ermordete.
In der Region um Königs Wusterhausen hatten die linken Kräfte bei den folgenden Wahlen
immer besonderes Gewicht. Die Ereignisse während des Kapp-Putsches hatten
Schenkendorf weithin bekannt gemacht. Es galt fortan als Rotes Dorf. Im Jahr 1926 erhielt
die dortige Zelle des Rotfrontkämpferbundes die Traditionsfahne des Smolensker
Rotarmisten-Schützen-Regiments „Deutsches Proletariat". Diese Fahne wurde über den II.
Weltkrieg gerettet und später dem Truppenteil „Fritz Grosse“ in Niederlehme verliehen, wo
sie im Traditionszimmer aufbewahrt wurde. Im Zuge der Übernahme durch die Bundeswehr
wurde das Traditionszimmer aufgelöst, und die Fahne verschwand. Oberst Becke, der letzte
NVA-Kommandeur in Niederlehme, erzählte dem Autor dieses Berichts, er habe einmal ein
anonymes Angebot für den Kauf der Fahne bekommen, aber die Spur ließ sich nicht
verfolgen.
Das Grab für die drei gefallenen Schenkendorfer auf dem Gemeindefriedhof besteht immer
noch. Die Kirchgemeinde hat es immer instand gehalten; dagegen äußerte ein Bürgermeister
einmal: „Sollen sich doch die Kommunisten darum kümmern!“. Nun waren die drei
Gefallenen keine Mitglieder der KPD, sondern der USPD und der SPD, aber diese Haltung
schließt an den verächtlichen Umgang mit den Verteidigern der Demokratie in der Weimarer
Zeit an. Nach einer oberflächlichen Renovierung vor einigen Jahren befindet sich das
Grabmal wieder in traurigem Zustand. Es bleibt zu hoffen, dass es spätestens im Jahr 2020,
wenn sich die Ereignisse zum hundertsten Mal jähren, wieder ein würdiges Aussehen
bekommt.
Nachtrag:
Der Autor ist Harry Schäffer, dem früheren Schenkendorfer Lehrer und späteren
Ortschronisten von Bestensee, zu Dank für seine aufwendige Arbeit zur Erforschung der
Schenkendorfer Ereignisse verpflichtet. Gleicher Dank gilt dem Historiker Fred Bruder, ohne
dessen Arbeit dieser Bericht nicht möglich gewesen wäre.
Kai Schwarz Schenkendorf, 28.1.2020
Altes Dorf und früheres Bergbaugebiet
Schenkendorf hat nicht nur eine fast 700 Jahre lange bäuerliche Geschichte, sondern es war auch für einige Jahre das industrielle Zentrum der Region schlechthin, denn ausgangs des 19. Jahrhunderts wurde hier Braunkohle abgebaut. Damals erreichte Schenkendorf die höchste Einwohnerzahl in seiner Geschichte: Im Jahr 1900 lebten 1039 Menschen hier.
Hundert Jahre später wurde es in Brandenburg und Berlin ein Begriff durch das Schloss Dracula.
Wenn auch die meisten Spuren, die einmal auf den Bergbau verwiesen, inzwischen verschwunden sind, ist der Ortskern wird immer noch sehr durch die frühere "Zechensiedlung" geprägt. Aber auch der kleine See mitten im Ort, von den Einwohnern "Das Luch" genannt, und dem eine Straße den Namen "Am Bruch" verdankt, ist eine Hinterlassenschaft des Abbaus, der anfangs in diesem Bereich als Tagebau ausgeführt wurde. Leider sind nicht alle Löcher, die damals in die Erde gebuddelt wurden, nach der Stillegung der Grube richtig verfüllt worden, sondern es hat ziemliche Einbrüche gegeben. Dazu mehr im Artikel, der sich dem Bergbau widmet.
Der Anger
Schenkendorf war und ist ein Angerdorf, wie es in der Region sehr häufig ist, in dem also früher die Bauernhäuser um eine zentrale Wiese, den Anger, angeordnet waren. Der Anger wird heute von der Freiherr-von-Loeben-Straße (das ist die durchgehende Landesstraße 30) und der Straße „Bauernreihe“ begrenzt. Dem Durchfahrenden fällt vor allem die alte Wehrkirche inmitten des Angers ins Auge. Über sie kann man einiges im nebenstehenden Beitrag erfahren.
Auf dem Anger wurde ein riesengroßer Findling abgelegt, der 1994 beim Bau der Abwasserleitung aus der Krummenseer Straße herausgegraben wurde. Er wiegt geschätzte 10,7 Tonnen und ist knapp drei Meter lang. Nach Aussagen der Geologen besteht er aus skandinavischem Migmatit, und die Schleifspuren zeigen, dass er es auf seinem Weg nach Schenkendorf nicht leicht hatte.
Auf einer Tafel auf dem Anger steht zu lesen, dass der Soldatenkönig hier in Schenkendorf einmal eine Maulbeerplantage hatte anlegen lassen. Diese Versuche, die sogar in der Zeit nach dem II. Weltkrieg - vielleicht mehr versuchsweise - wiederholt wurden, sind aber erfolglos geblieben; damals, weil der Import aus Ostasien inzwischen billiger wurde, und in jüngerer Zeit wird wohl die Konkurrenz von Polyamid-Seide (Perlon bzw. Dederon) übermächtig gewesen sein.
Den Friedhof, der hier mal gewesen sein mag, gibt es längst nicht mehr, dafür werden die Freiflächen beiderseits der Kirche für Dorffeste und den Weihnachtsmarkt genutzt.
Die Waldsiedlung
Am Rand des Dorfes, nach Königs Wusterhausen hin, ist die "Waldsiedlung" entstanden, eine Gruppe von Reihenhäusern, die dem Dorf einen erheblichen Einwohnerzuwachs gebracht hat. Es ist schade, dass es keine direkte Verbindung zum Dorf gibt, nur über die Landesstraße kommt man zueinander, und das ist sicher ein Grund dafür, dass die Bewohner zum eigentlichen Dorf nicht in so engem Kontakt stehen, wie das wünschenswert wäre.
Westlich vom Dorf befindet sich ein Gewerbegebiet, das schon zu Beginn der 90er Jahre entstanden ist.
Im Dorf selbst, unweit des Schlossparks an der Freiherr-von-Loeben-Straße, hat sich ein Lama-Hof eingerichtet. Weil die Tiere größtenteils in einem Gehege außerhalb des Dorfes leben, kann man sie sich auch näher anschauen, wenn sie denn einmal geneigt sind, näher an die Umzäunung zu kommen. Man sieht dann, dass es nicht nur Lamas, sondern auch Alpakas sind. Während die Lamas durch sehr stolze Kopfhaltung auffallen, wirken die Alpakas richtig knuddelig. Entgegen der Legende spucken beide Arten im Allgemeinen nicht - bei der Betreiberin des Hofes sollte man das nicht ausschließen, wenn jemand gegen das strikte Fütterungsverbot verstößt, weil die Tiere auf falsche Ernährung recht empfindlich reagieren können.
Man sieht das Gehege zwischen Dorf und Notte-Kanal, wenn man auf der B179neu zwischen der L30 und Deutsch-Wusterhausen fährt.
Linke Traditionen, die es in Schenkendorf schon einmal in der Zeit vor und nach dem I. Weltkrieg gab, sind jetzt wieder wach geworden, denn die Partei Die Linke hat hier eine stabile Wählerschaft.